Schwedens Gemeinden in der Haushaltskrise

Die Stimmung in Schweden war noch im Jahr 2016 euphorisch. Es herrschte nahezu Vollbeschäftigung und die Preise am Immobilienmarkt schossen besonders in den Großstädten in die Höhe. Der schwedische Dachverband der Gewerkschaften LO schwärmte von einer „Super-Ökonomie“ mit 4 – 5% Wirtschaftswachstum für die kommenden Jahre. Alles hätten wir der Einwanderung zu verdanken, die ein Bevölkerungswachstum von bis zu 1,4% pro Jahr beschert, hieß es. Dies würde auch die Renten sichern.



Die strukturschwachen ländlichen Gebiete des nördlichen Schwedens leiden seit Jahrzehnten unter einer Abwanderung der Bevölkerung. Wer dort ein Haus bauen will, bekommt das Grundstück praktisch umsonst. Durch die Mechanisierung der Land- und Forstwirschaft haben seit dem Zweiten Weltkrieg einige Landstriche teilweise die Hälfte ihrer Bevölkerung verloren, weil vor es vor allen Dingen junge Menschen in die Ballungszentren zieht. Dort sind die Arbeitsplätze. Schulen, Krankenhäuser und Einkaufsmöglichkeiten sind dort vergleichsweise um die Ecke. Wer in Nordschweden lebt, ist oft mehrere Stunden für einen Arztbesuch auf einsamen Landstraßen unterwegs. Jungen Paaren werden seit einigen Jahren kostenlose Kurse für die Entbindung im Auto (bilförlossning) angeboten, falls sich der neue Erdenbürger nicht an die zeitlichen Absprachen hält, denn bis zur nächsten Entbindungsstation sind es vielleicht 100 km oder mehr.

In Nordschweden standen wegen des Bevölkerungsrückgangs  viele Wohnblöcke leer, die den Gemeinden gehören. Man dachte schon an einen Abriss. Nun kommen als Hoffnungsträger die Flüchtlinge und sorgen für Mieteinnahmen. Die Kosten für Miete, Sozialhilfe, Sprach- und Integrationskurse übernimmt die ersten zwei Jahre die Einwanderungsbehörde. Danach müssten die Neuankömmlinge fit für den Arbeitsmarkt sein, eine Anstellung finden und für sprudelnde Steuereinnahmen sorgen. So dachte man sich das jedenfalls.

Doch mindestens ein schwedischer Volkswirt sah bereits 2016 die Entwicklung etwas anders kommen. Der kurdisch-schwedische Wirtschaftswissenschaftler Dr. Tino Sanandaji, dessen Spezialgebiet die öffentliche Haushalte umfasst, rechnete auf Grund der bereits gesammelten Datenlage mit einer Kostenlawine. Nachfolgend sein Vortrag aus dem Jahr 2015, der sehr genau die Zukunft getroffen hatte:


Fakta om invandring- Fakten über die Einwanderung. Vortrag von Tino Sanandaji aus dem Jahr 2015 – und immer noch aktuell.

Sanadaji ist selbst Einwanderer und kam mit 9 Jahren aus Kurdistan nach Schweden. Leider ist sein Vortrag auf Schwedisch. Wer Schwedisch kann, sollte sich die Zeit nehmen.  Die Kernaussage seines Vortrages ist, dass Einwanderer im Durchschnitt auf Grund ihrer Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt viel zu wenig Steuern während ihres gesamten Lebens bezahlen. Dadurch sind die Rentenkassen belastet. Gleichzeitig steigen die Kosten für das Sozialwesen, was zu Einschnitten für das Schulwesen, für die Krankenversorgung, für die Altersversorgung und andere soziale Einrichtungen führen muss.

Die Grund liegt darin, dass Einwanderung in der Regel erst einmal eine schwere Umstellung bedeutet, die mit Kosten oder Verdienstausfällen verbunden ist. Die Sprache und die fremde Kultur mit ihren ungeschriebenen Gesetzen müssen erlernt werden. Es fehlt an notwendigen Netzwerken, welche die Jobsuche erleichtern würden. Schließlich sind zu geringe Schulbildung und eine fehlende adäquate Berufsausbildung die größte Hürde in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Zu viele der Einwanderer brauchen zu lange um eine Arbeit zu finden oder finden nie eine reguläre Festanstellung. Und wenn, dann sind es oft Anstellungen im Niedriglohnsektor, was ebenfalls zu unterdurchschnittlichen Steuereinnahmen führt. Wer als Erwachsener Analphabet ist, hat kaum eine Chance sich die notwendigen Qualifikationen für eine auf Hochtechnologie basierte Gesellschaft zu erlangen, die letztendlich durch ihre Produktivität für einen hohen Lebensstandard verantwortlich ist.

Dazu sei auch von mir ergänzend angemerkt, das dies auch der Grund ist, warum wirtschaftlich erfolgreiche Länder ihre Kinder frühzeitig in die Schule schicken  und viel Geld für die Bildung ausgeben. Die Kinder stattdessen in der Fabrik Hemden schneidern lassen, wäre kurzfristig betrachtet kostengünstiger. Langfristig betrachtet führt es in die sichere Armut. Wer das Pech hatte keine Schulbildung genießen zu dürfen, wird diese Versäumnisse als Erwachsener niemals trotz größter Anstrengung bei normaler Intelligenz entsprechend aufholen können, was für Betroffene eine bittere Erfahrung ist. Deshalb ist Kinderarbeit statt Schulbildung geächtet. Die Schäden dadurch sind unumkehrbar.

Dies alles führt insgesamt zu geringen Steuereinnahmen. Das BIP / Person sinkt dadurch. Der Lebensstandard sinkt. Zudem verlangt die schwedische Industrie mit ihren komplizierten Arbeitsprozessen nach sehr gut ausgebildeten Mitarbeitern. All diesen Anforderungen ist die Mehrzahl der Flüchtlinge nicht gewachsen.

Und so kam es auch. Die Förderprogramme der Einwanderungsbehörde laufen aus, die Gemeinden mit einer besonders großzügigen Einwanderungspolitik müssen die Kosten der Sozialhilfe selbst übernehmen. Der Gemeindehaushalt rutscht in die roten Zahlen. Gespart wird an allen Ecken. Dennoch ist auf Dauer keine Lösung in Sicht. Wer jung und gut ausgebildet ist, verlässt das sinkende Schiff und wandert ab. Arbeitsplätze gab es vorher nicht und sind auch in Zukunft nicht in Sicht.

Besonders betroffen von diesem finanziellen Fiasko, das nicht nur eine Enttäuschung für die Einwanderer bedeutet, die voller Hoffnungen ein neues Leben in Schweden suchten, ist die Gemeinde Filipstad. Sie steht examplarisch für die vielen kleinen Gemeinden auf dem Land, die durch die Einwanderung nach und nach ein Haushaltsdefizit beklagen müssen. Der staatliche TV-Sender SVT drehte in Filipstad darüber eine kritische Dokumentation:


SVT-Doku „Larmet från Filipstad“ (Alarm aus Filipstad) aus dem Jahr  2019 der Serie Uppdrag granskning.

Kommentar des  Youtube-Kanals, der den Film veröffentlichte: „“Es gibt keine Nachfrage für im Ausland geborene Analphabeten“ In Filipstad wohnen etwa 750 Erwachsene mit Ursprung aus Syrien, Somalia, Eritrea, Afghanistan und dem Irak. Fast alle kamen zwischen 2012 und 2017 hierher. Die Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit von der Sozialhilfe ist in dieser Gruppe besonders hoch. Das Ausbildungsniveau ist niedrig.“

Die Gemeinde Filipstad (Stadt und Umland) hat etwa 10.600 Einwohner.

Wie sieht für Schweden die Prognose für das Jahr 2020 aus?  Ein sinkendes BIP / Kopf, was eine Verringerung des Wohlstandes bedeutet. Eine steigende Arbeitslosigkeit ist zu erwarten. Mit einer weiteren Abwertung der schwedischen Krone bei einem Leitzins von 0% ist zu rechnen. Eine dauerhafte Lösung der Haushaltskrise der schwedischen Gemeinden ist nicht in Sicht. Die Altersarmut steigt und ist die höchste in Skandinavien. Mit knappem Wohnraum in den Ballungszentren ist ebenfalls weiterhin zu rechnen.