Schwedische Eigenarten, Umgangsformen und Verhaltensweisen

Schwedische Eigenarten, Umgangsformen und Verhaltensweisen

Manche behaupten, Schweden sei ein anderer Planet. Nun – ganz so schlimm ist es mit der schwedischen Mentalität auch wieder nicht. Jedoch „ticken“ die Schweden in vieler Hinsicht völlig anders als zum Beispiel die Deutschen. Verallgemeinerungen sind natürlich immer gefährlich, denn jeder Schwede ist anders, und das typische Schweden gibt es natürlich nicht. In den Großstädten spielt das Leben anders als auf dem Lande und es herrschen große regionale Unterschiede. Trotzdem gibt es Tendenzen und typische schwedische Verhaltensweisen, die sich vom Leben  der übrigen Länder unterscheiden.

Nachfolgend ein paar typische Aspekte über die schwedische Mentalität aus meiner sicherlich persönlichen Sicht. Die Reihenfolge der unvollständigen Liste ist zufällig und wertfrei, wie sie mir gerade eingefallen ist.

Das Jantelagen (Jante-Gesetz) und die schwedische Bescheidenheit: Viele Schweden möchten nicht aufdringlich wirken und sie möchten sich auch nicht von anderen abheben. Sie mögen bescheidenes Auftreten und trauen sich oft nicht ihre Leistungen ins rechte Licht zu setzen. Teilweise ist dies mit Schüchternheit und Zurückhaltung gepaart. Die Ursache darin liegt im Jantelagen, welches allerdings bei der jüngeren Generation stark umstritten ist. Trotzdem sind viele Schweden vom Jantelagen geprägt, obwohl sie es eigentlich ablehnen. Selbst bürgerlich-konservativ orientierte politische Parteien lehnen ein ausgeprägtes soziales Gefälle ab. So harmonisch, wie dies alles klingt, läuft es in der schwedischen Gesellschaft allerdings oft nicht ab. Schweden ist ein Land in ständiger Veränderung.


Eine Reihenhaussiedlung auf der ersten Seite des schwedischen Passes symbolisiert vielleicht die Neigung oder Wunschvorstellung der Schweden sich gemäß des Jantelagen nicht von anderen abheben zu wollen.

Du-Reform: In Schweden reden sich fast alle Menschen immer mit „Du“ und dem Vornamen an. Eine Ausnahme bildet die Königsfamilie, welchen mit ihren Titeln anzureden ist. Doch werden wahrscheinlich die wenigsten in diese Verlegenheit kommen. Politiker werden von den Journalisten mit „Du“ angeredet. Auf Behördengängen und im Geschäftleben wird ebenfalls immer das „Du“ verwendet. (Hier geht es weiter).

Schuhe ausziehen: Besucht man Schweden privat, ist es selbstverständlich sich ungefragt die Schuhe im Eingangsbereich auszuziehen und in Socken herumzulaufen. Für manche Deutsche ist dies bei dem Gedanken an mögliche Schweißfüße vielleicht eine Horrorvision. Aber es wäre sehr unhöflich in einer fremden Wohnung mit Schuhen herumzutrampeln. Doch es gibt ein paar wenige Ausnahmen. Zum Beispiel darf der Schornsteinfeger die Schuhe anlassen. Bei besonders festlichen Anlässen nehmen sich die Gäste spezielle Ausgehschuhe mit, welche sie an Ort und Stelle gegen die Straßenschuhe wechseln. In einigen Familien sind auch Hausschuhe üblich.

Kleiderordnung und Mode: Im Büro herrscht die Tendenz zu einer eher legeren Kleidung mit Hemd, Hose und Pullover vor.  Eine Krawatte ist unüblich. Bei privaten Einladungen und Familienfesten kommen besonders die älteren Generationen im dunklen Anzug und Krawatte oder Abendkleid daher. Es ist also genau umgekehrt wie in England oder vielleicht in Deutschland. Ansonsten greifen die Schweden Modetrends schneller auf als in Deutschland, welche etwa ein Jahr später auf solche Trends reagiert. Dies ist zum Beispiel sehr schön an Brillengestellen festzustellen. Die neuen Formen tauchen in Schweden etwa ein Jahr früher auf als in Deutschland. Ältere Menschen haben die Neigung Hemden und Hosen ohne Muster den Vorzug zu geben. Auch scheint mir die Farbwahl farbenfroher als in Deutschland zu sein.

Abends essen gehen: Abends essen gehen, um sich mit Freunden zu treffen, ist wenig verbreitet und wenn, dann nur in Großstädten (ab etwa 100.000 Einwohnern) vereinzelt anzutreffen. In Kleinstädten machen die wenigen Restaurants meistens gegen 18:00 zu. Diese Restaurants, die eher an einen Kantinenbetrieb mit Selbstbedienung erinnern, leben hauptsächlich von Angestellten, die gerne ab und zu in der Mittagspause zum Essen gehen. Das Tagesessen kostet inklusive alkoholfreie Getränke und Kaffee etwa umgerechnet 7 bis 8 Euro und hat dafür einen eher einfachen Charakter. Wenn man mit dem Auto unterwegs ist, kann man in den Sommermonaten um die Mittagszeit sein Glück bei den Golfclubs suchen, welche oft ein einfaches und kostengünstiges Mittagessen anbieten. Golf ist in Schweden keine elitäre Sportart. In den Familien wird das Hauptgericht in der Regel abends daheim eingenommen.

Wir saßen einmal draußen in einer Pizzeria und genossen die warme Abendsonne beim Essen. Ständig kamen Leute mit ihren Autos vorbei, die ihre per Handy vorbestellten Pizzas abholten, um sie dann lieber daheim zu essen. Es fehlt in vielen schwedischen Köpfen offenbar die Tradition in einer Gaststätte zu verweilen. Viele Gaststätten entstanden erst in den letzten 20 Jahren im Zuge der Einwanderungswellen. Manchen älteren Schweden ist es sogar peinlich sich bedienen zu lassen.

Alkoholkonsum: Abgesehen vom Leichtbier gibt es alkoholische Getränke nur im staatlichen Alkoholladen (systembolag) zu kaufen. Seit einigen Jahren dürfen alkoholische Getränke auch im Internet angeboten werden. Zudem gibt es noch einen nicht unerheblichen Schwarzmarkt. Im Durchschnitt ist der schwedische Pro-Kopf-Verbrauch an Alkohol einer der niedrigsten in Europa. Abgesehen davon gibt es recht viele Schweden, die aus Überzeugung keinen Tropfen Alkohol trinken.

Trotzdem fallen schwedische Reisegruppen im Ausland immer wieder unangenehm durch ihre Trunkenheit auf. Das liegt daran, dass es in der schwedischen Kultur zu gesellschaftlichen Anlässen keine Schande ist, sich hoffnungslos zu betrinken, und wenn man am nächsten Tag nicht einen ordentlichen Kater hat, war die Feier nicht gut. Es ist völlig normal, zum Beispiel vor einer Tanzveranstaltung schon ein paar Glas Schnaps oder Wein zu trinken, damit dann die Getränkerechnung nicht so hoch wird. Auf einer Betriebsfeier darf sich auch der Chef betrinken. Hauptsache er ist lustig und niemand reagiert aggressiv. Was alles auf der Betriebsfeier gesagt wird und sonst vorfällt, wird allerdings nicht an Dritte weitergetragen, lautet oft die eiserne Regel. Viele Schweden trinken so gut wie kein Alkohol, aber wenn, dann richtig. Sonst wäre es ja nicht lustig. Es gibt auch Schweden, die zum Essen ein Glas Wein trinken. Dabei kommt dann oft die Entschuldigung, Rotwein sei in kleinen Mengen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gesundheitsfördernd.

Kaffee trinken: Oft wird vor dem Schlafengehen in schwedischen Familien gerne eine Tasse Kaffee getrunken. Überhaupt wird sehr viel Kaffee konsumiert und bei jeder Gelegenheit auch Kaffee angeboten. Dazu gibt es dann oft auch eine Kanelbulle, eine schwedische Zimtschnecke. Problematisch wird es, wenn der Gast nach Milch oder Sahne bittet, weil die meisten Schweden ihren Kaffee lieber schwarz und mit Zucker trinken. Falls Gebäck und Kuchen gereicht wird, nimmt man sich erst das Gebäck und den Kuchen hebt man sich zum Schluss auf. Dabei gebietet es die Höflichkeit nur kleine Stücke abzuschneiden. Im Vergleich zu Deutschland sind die Kuchenstücke kleiner, aber dafür um so süßer. Die Mägen müssen schon einiges vertragen.


Die schwedischen Kaffeepausen sind ein Heiligtum in Schweden. Am Arbeitsplatz sollte dabei nicht über die Arbeit gesprochen werden ( Bildquelle: Miriam Preis/imagebank.sweden.se ). Eine deutsche Frau sollte übrigens bei jeder Gelegenheit ein freundliches Gesicht machen und häufig lächeln. Das strahlt Selbstbewusstsein aus.

Datenschutz und Öffentlichkeitsprinzip: Jedem deutschen Datenschutzbeauftragten würden in Schweden wahrscheinlich die Haare zu Berge zu stehen. Wer wissen will, was das Haus des Nachbarn gekostet hatte oder was der Nachbar verdient und ob er immer seine Rechnungen ordentlich bezahlt, bekommt dies ohne Angaben von Gründen entweder kostenlos oder gegen ein geringe Gebühr heraus.

Alljährlich wird in Schweden ein dickes Buch veröffentlicht, in welchem die Einkommen der reichsten Schweden veröffentlicht sind. Die Philosophie, die dahinter steckt, nennt sich Öffentlichkeitsprinzip (offentlighetsprincipen). Es ist in Schweden das Recht der Bürger in allen Akten und Vorgängen der Behörden ohne Angabe von Gründen Einblick nehmen zu dürfen. Das Ziel ist es, durch diese Transparenz Korruption zu verhindern und Vertrauen zu gewinnen. Und tatsächlich ist der Korruptionsindex in Schweden relativ niedrig. Das Vertrauen des Bürgers in die Staatsverwaltung ist vergleichsweise hoch, was allerdings auf Grund der fehlenden Kontrollen dann und wann in unglaublichen Korruptionsskandalen mündet, welche relativ spät aufgedeckt werden.

Manche Dinge kommen einem in Schweden vollkommen naiv vor: Ohne Probleme bekam ich durch eine kurze Recherche im Internet die vollständige Adresse und das Alter der zuständigen Sachbearbeiterin für meine Einbürgerung heraus. Mir war schließlich das Geburtsdatum bekannt, der Name des Mannes, mit dem sie verheiratet ist und das Geburtsdatum des Ehegatten. Im Internet war zudem das Haus abgebildet, in dem sie wohnt. Die privaten Telefonnummern herauszufinden, waren dann auch kein Problem mehr.

Kreditauskunft: Hat man nur den Namen einer Person, ist es leicht die Adresse und das Geburtsdatum in Erfahrung zu bringen. Zum Beispiel hilft die Seite http://www.upplysning.se/ weiter. Es gibt zahlreiche Webangebote wie zum Beispiel http://www.inkomstupplysning.se/, welche gegen geringe Gebühr Auskünfte über die Zahlungsmoral und Einkommensverhältnisse von Privatpersonen und Firmen liefern. Auf http://www.allabolag.se/5568028137/kreditupplysning kann die Kreditauskunft per SMS bezahlt werden.

Schließlich bietet der schwedische Gerichtsvollzieher http://www.kronofogden.se/ kostenlose Auskünfte an, denn wenn eine Firma oder Privatperson nicht zahlt, erhält sie in letzter Konsequenz einen Eintrag beim Gerichtsvollzieher, der so genannten betalningsanmärkning.

KFZ-Halter ausfindig machen: Falls man sich dafür interessiert, wem welches Auto gehört, reicht das Abschicken einer kurzen SMS, in der man das KFZ-Kennzeichen angibt. Gegen eine geringe Gebühr erhält jeder nach wenigen Minuten den Namen und die Adresse des Halters. Interessieren nur die technischen Daten des Fahrzeugs, kann dies kostenlos auf https://www21.vv.se/fordonsfraga/?epslanguage=sv in Erfahrung gebracht werden. Es handelt sich dabei um die amtliche Seite des Amtes für Transportwesen (transportstyrelsen).

Mit Schweden kontroverse Diskussionen führen: Das ist, wenn es nicht gerade sehr vertraute Freunde sind, mit Vorsicht zu genießen. Die Schweden mögen es in der Regel nicht, sich auf kontroverse Diskussionen einzulassen, da sie Konflikten lieber aus dem Weg gehen. Der Franzose mag es vielleicht sich beim Essen stundenlang mit seinen Tischnachbarn angeregt und kontrovers zu unterhalten. Er sieht dies als intellektuelle Herausforderung, bei der er sich entspannen kann, wobei die Meinung des anderen akzeptiert wird. Fallen sich die Gesprächspartner dabei gegenseitig ins Wort, wird dies in Frankreich als die Bezeugung gegenseitigen Interesses und der gegenseitigen Wertschätzung verstanden.

Für die meisten Schweden käme diese Situation allerdings missverständlicherweise wie ein heftiger Streit vor, bei dem die „Kontrahenten“ für immer mit Argwohn auseinandergehen. Dabei war doch alles nur ein interessanter Zeitvertreib und die Gäste bedanken sich noch für die anregende Diskussion.

Schweden suchen im Gespräch die Einigkeit und Übereinstimmung. Deshalb wird auch gerne viel gelobt. Ins Wort fallen sich die Schweden so gut wie nicht und lassen den Gesprächspartner schön ausreden. Dadurch entsteht eine Gesprächspause, welche viele Deutsche in Verlegenheit bringt und man fängt sich unweigerlich an zu fragen, ob sich der Schwede überhaupt für das Thema interessiert. Droht es dem Schweden zu kontrovers zu werden, geht der Schwede meistens weg oder legt den Hörer auf. Politiker, die in Erklärungsnot kommen, sagen dann ganz einfach, dass sie dies nicht kommentieren möchten. Manche rennen dann auch tatsächlich vor laufender Kamera weg, womit in Deutschland die Politikerkarriere wahrscheinlich beendet wäre.

Da die meisten Schweden es nicht verstehen mit fremden Menschen über dies und das Smalltalk zu halten, um sich zu „beschnuppern“, werden gesellschaftliche Treffen mit Spielen, gemeinsamen Singen, kurzen Vorführungen und Vorträgen gestaltet, damit niemand der Gäste in Verlegenheit kommt sich längere Zeit mit seinem Nachbarn unterhalten zu müssen. Der Alkohol erledigt dann oft den Rest.

Selbstverständlich darf die eigene Meinung vorgeschlagen werden. Aber dann soll sie ausgewogen sein mit Rücksicht auf sich widerstreitende Interessen. Kompromisse werden gerne gesehen. Es muss eben alles „lagom“, sein. „Lagom“ in der Bedeutung „nicht zu viel und nicht zu wenig“ ist ein Wort, das sich kaum übersetzen lässt und die gesamte schwedische Denkweise prägt.


Der Traum vom kleinen Häuschen in der abgeschiedenen Natur spiegelt sich auch auf der letzten Seite des schwedischen Passes wider.

Humor und Lachen: Schweden lachen gerne bei Gesprächen. Humor und Lachen wird auch im Berufsalltag gerne erlebt. Ironie und Selbstironie wird von Schweden allerdings oft fehlinterpretiert. Witzige Bemerkungen sind sicherheitshalber also solche zu kennzeichnen. Die Schweden amüsieren sich nach meiner Meinung nach ganz gerne über komische Zufälle, lustige Verwechslungsgeschichten oder Missgeschicke auf Grund von Missverständnissen, wenn sie einen guten Ausgang haben und einem am besten selbst widerfahren sind.

Radarfallen: Der Name ist bereits irreführend, denn nach schwedischer Auffassung wäre es hinterhältige Abzocke die Geschwindigkeit versteckt zu messen, weil dies ja kaum der Verkehrssicherheit dient. Wenn eine versteckte Messung der Geschwindigkeit erfolgt, dann nur für eine statistische Erhebung. Die Geschwindigkeitsmessungen durch die „fartkamera“ wird durch große unübersehbare Schilder angekündigt, damit die Autofahrer auch wirklich an den Unfallschwerpunkten langsam fahren und auf diese Weise Menschenleben gerettet werden können.  Das ist die Philosophie. Die Positionen der „Radarfallen“, die ja eigentlich keine sind, sind unter http://www.posit.se/onmap.php?cat=1 in einer Übersichtskarte eingetragen.

Geschwindigkeitsmessungen erfolgen auch von uniformierten Polizisten mit einer Laserpistole aus der Hand. Oft ist das Polizeiauto so abgestellt, dass es kaum zu übersehen ist. Diese Messungen haben hauptsächlich einen erzieherischen Hintergrund, um die Fahrer an eine verantwortungsvolle Fahrweise zu erinnern.

Alkoholkontrollen: Sie geschehen meistens als in den Medien groß angekündigten Aktionen, um durch diese Veröffentlichungen daran zu erinnern, dass Autofahren und Alkohol nicht zusammengehören. Die Promille-Grenze liegt bei 0,2. Bei jeder Polizeikontrolle wird obligatorisch der Alkoholgehalt des Atems gemessen. Oft geschehen diese Kontrollen zum Beispiel an einem Montagvormittag, um die wirklich harten Alkoholiker mit ihrem Restalkohol vom Wochenende herauszufischen.

Statistiken: In Schweden liebt man es Entscheidungen auf Grund von statistischen Auswertungen zu begründen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem in den schwedischen Hauptnachrichten nicht eine neue Statistik vorgestellt wird, welche dann lang und breit diskutiert und erklärt wird. Während die deutschen Nachrichten vielleicht gerade wieder mal vom Zusammenbruch der restlichen Welt berichten, geht es in Schweden in erster Linie darum, warum es zum Beispiel in dem einen Regierungsbezirk mehr Krebsfälle einer bestimmten Art gibt als in dem anderen und was man dagegen tun kann, damit die Steuergelder optimal eingesetzt werden.

Körpersprache und das Grüßen: Die Körpersprache ist weniger ausgeprägt als in Deutschland. Mit den Händen wird wenig gestikuliert. Die Hände schüttelt man sich eher selten, zum Beispiel wenn man vorgestellt wird oder sich sehr lange nicht gesehen hat. Hingegen hebt man die Hand, wenn man sich im Freien begegnet. Besonders auf dem Land ist dies so. Eine andere Eigenart scheint zu sein, dass man wildfremde Menschen im Fahrstuhl nicht begrüßt.

Wichtig ist ein freundlicher Gesichtsausdruck oder wenigstens ein neutraler. Der ernste und entschlossene Gesichtsausdruck, welcher in Deutschland oft anzutreffen ist, wirkt feindseelig. Schwedische Frauen lächeln sehr oft beiderlei Geschlecht an, um einfach für eine entspannte Atmosphäre zu sorgen. Kommt man als schwedisch geprägter Mann nach Deutschland, kommen einem alle Frauen irgendwie schlecht gelaunt vor, weil sie eher selten oder überhaupt nicht im Gespräch lächeln. Das sind dann echte Missverständnisse auf Grund der anderen nonverbalen Kommunikation.

Ruhezeiten: Es ist kein Problem an einem Sonntag um die Mittagszeit seinen Rasen mit seinem Benzinmäher zu mähen. An Sonn- und  Feiertagen werden auch fleißig die Häuser repariert. Wenn es das Wetter und die Jahreszeit erlaubt, muss die Gelegenheit genutzt werden, um notwendige Arbeiten vorzunehmen. Der Sommer ist kurz. Trotzdem wird Rücksicht genommen. So beobachtete unser Nachbar einmal, dass wir gegen neun Uhr Abends wegen der Mücken den Garten verließen. Sogleich hatte der Nachbar die Gelegenheit genutzt seinen Rasen zu mähen. Er wusste ja, dass wir keine kleinen Kinder haben, die schon um sieben schlafen gehen.

Pünktlichkeit und Termine: Viele Schweden sind auf Zeitplanung versessen. Fast immer ist für alles ein Termin zu vereinbaren Hat man in drei Wochen einen  Arzttermin um 14:00, kann man fast immer danach die Uhrzeit stellen. Einmal musste ich 10 Minuten länger warten und die Ärztin hatte sich dafür 1000 Mal entschuldigt. Sie hatte ja keine Ahnung, dass ich aus einem anderen Kulturkreis komme, wo sämtliche Patienten nicht selten aus Bequemlichkeit um 14:00 bestellt werden. Dann heißt es der „nächste Bitte“ und so weiter und die Wartezeit dauert drei Stunden.

Wird man um 19:00 eingeladen, dann kommt man auch um 19:00. Dei akademische Viertelstunde ist unbekannt. Wer zu früh mit dem Auto anreist, wartet dann so lange eine Straße weiter im Auto, um auf die Minute vorfahren zu können.

Unangemeldete Besuche sind eher unüblich. Selbstverständlich können sich Nachbarn gegenseitig ohne Voranmeldung besuchen, um etwas zu erfragen oder zu erbitten. Wenn es sich ergibt und niemand unter Zeitdruck steht, gibt es vielleicht auch einen Kaffee. Allerdings bleiben die Gäste dann meistens nicht lange. Viele Schweden haben jedoch besonders in den Wohngegenden und Villenvororten der größeren Städte überhaupt keinen Kontakt zu den Nachbarn. Auf dem Land kann dies wieder völlig anders aussehen.


Bevor der Kunde zum Beispiel in der Apotheke seine rezeptpflichtigen Medikamente abholen kann, ist aus einem Automaten im Eingangsbereich der Apotheke ein Zettel zu ziehen und zu warten, bis die betreffende Nummer elektronisch angezeigt wird. Dass zusätzlich zur Nummer noch die genaue Uhrzeit und das Datum ausgedruckt wird, ist eher ungewöhnlich.

Schlange stehen: Während in Deutschland sich Menschentrauben um einem Schalter scharen, stehen Schweden schön brav in der Schlange. Da auch dies lästig sein kann, muss man fast immer einen Nummernzettel (nummerlapp, kölapp) ziehen. Man wartet dann, bis die Nummer elektronisch angezeigt und durch ein „Bing“ akustisch signalisiert wird. Dies ist in fast allen Geschäften und auf allen Behörden so und ist auch dann zu befolgen, wenn kein weiterer Kunde oder Wartende vorhanden ist.

Was ist beim Parken des Autos zu beachten? Selbst beim Parken gibt es in Schweden Eigenarten zu beachten. Fahrzeuge dürfen zum Beispiel nicht an Vorfahrtsstraßen geparkt werden. Das macht das Durchfahren von Ortschaften in Schweden so angenehm. Mir ist diese Regelung erst nach Jahren aufgefallen, als mich eine private Wachfirma darauf höflich und bestimmt aufmerksam machte.

Wenn eine Parkscheibe (p-skiva) verlangt wird, sollte sie immer eingesetzt werden. Mit deutschen Parkscheiben hatte ich noch nie Probleme. Private Überwachungsfirmen warten nur darauf eine „Bearbeitungsgebühr“ (kontrolavgift) in Höhe von meist 250 Kronen zu verlangen.

Dasselbe gilt grundsätzlich auch für Parkautomaten. Das Bezahlen des Parkscheins mit der Bankkarte funktioniert an den Automaten oft nicht oder dauert ewig lange. Deshalb sollte genügend Münzgeld in der Tasche sein. Münzgeld ist beim Einkaufen immer in den Supermärkten erhältlich. Den Parkschein bekommt man sehr oft unaufgefordert umsonst von freundlichen und wildfremden Autofahren, die gerade ihren Parkplatz verlassen haben. Das ist eine völlig normale Sitte in Schweden. Heute habe ich so einen Parkschein umsonst erhalten, den ich dann beim Wegfahren wieder weitergegeben habe, denn er hatte immer noch eine Stunde Gültigkeit. Etwas zu verschenken macht bekanntlich glücklich und ein freundliches Lächeln habe ich dafür auch bekommen.

Wer in den Restaurants der Innenstädte einkehrt, bekommt oft einen kostenlosen Parkschein vom Restaurant ausgehändigt, welcher der zahlende Gast dann allerdings selbst am Auto sichtbar anbringen muss.

Schuldfrage: Der schwedischen Mentalität liegt es nicht bei einer Fahrlässigkeit oder einem unglücklichen Versehen einen persönlichen Schuldigen auszumachen. Vielmehr wird dem System die Schuld gegeben, welches dann geändert und angepasst werden muss. „Vi måste se över våra rutiner“ – „Wir müssen unsere Arbeitsabläufe überarbeiten“, diesen Satz findet Google fast 6000 Mal. Das ist der beliebte Standardsatz, wenn etwas schief gelaufen ist. Dann wird auch gerne von einem Fehler im System (systemfel) gesprochen.

Verkehrsunfall: Wenn es mal auf der Straße kracht, haben zum Beispiel bei Vorfahrtsverletzungen immer alle Unfallbeteiligten Schuld. Dies gilt auch für Karambolagen in einem Kreisverkehr. Deshalb wird auch selten die Polizei in solchen Fällen gerufen, da ja jeder ein Bußgeld bezahlen müsste. Stattdessen füllt man ein Formular über den Unfallhergang aus, das gemeinsam unterschrieben wird und an die Versicherungen geschickt wird. Wenn es allerdings Verletzte gegeben hat, muss die Polizei gerufen werden. Der Notruf für Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen lautet in Schweden einheitlich 112.

Wildunfall: Hat man Wild angefahren, ist die Unfallstelle am nächsten Ast oder am nächsten Begrenzungspfosten mit einem Tuch, einem Band oder einer auffälligen Plastiktüte zu markieren und die Polizei zu informieren, damit der zuständige Jäger das verletzte und vielleicht entlaufene Wild mit dem Gnadenschuss von seinem Leid befreien kann.

Die Besprechungen am Arbeitsplatz: Davon gibt es sehr viele und sie scheinen endlos zu sein. Berufliche Entscheidungsprozesse laufen anders als in Deutschland ab, denn alle sollen bei Entscheidungen mitreden dürfen und sollen angehört werden, bis ein für alle tragfähiger Beschluss gefunden wird. Dabei wird gerne auf die Kompromissbereitschaft geachtet. Mal als Chef auf den Tisch hauen und sagen „So wirds gemacht und fertig!“ funktioniert nicht in Schweden. Gerade in der Projektarbeit müssen in der Planungsphase alle in den Entscheidungsprozessen mit einbezogen werden. Wer sich übergangen fühlt, wird dies nicht offen aussprechen, sondern einfach die Arbeit liegen lassen (Siehe dazu auch „Sind schwedische Geschäftsleute wirklich so lagom“ und „Kulturelle Unterschiede Schweden„).

Stress: Stress mögen Schweden nicht und laut einer Umfrage fühlen sich von allen Europäern die Schweden und Engländer am häufigsten gestresst. Dies kommt deutschen Touristen sicherlich befremdlich vor, wenn sie das kuschelige Schweden erleben. Dabei tun die Schweden im täglichen Leben so viel zur Stressvermeidung. Das fängt an beim Nummernzettel für die Warteschlange und hört vielleicht bei den nachts beleuchteten Autobahnauffahrten auf. Es ist eben auch eine Frage, welches Stressniveau der Mensch gewohnt ist und welche Einstellung man zu Stress hat. Für die meisten Schweden ist vor allen Dingen der Dauerstress eben grundsätzlich gesundheitschädlich. Für viele Deutsche gehört Dauerstress einfach zum Leben, den eine stabile Persönlichkeit aushalten muss. Und mit ein paar Bier jeden Tag lässt sich der Stress und Frust angeblich wegspülen. Die negativen Folgen kennen wir alle. Die richtige Dosis Stress pro Tag ist eigentlich ein Kapitel für sich.


How to survive  a Swedish dinnerparty.

Tischsitten: Sie sind wie in Deutschland oft nur ansatzweise vorhanden. Bemerkenswert ist, dass im Unterschied zu anderen Ländern die Zinken der Gabel immer nach unten gehalten werden. Dieses Prinzip wird auch beim Verspeisen von Erbsen versucht ebenso konsequent wie verzweifelt durchzuhalten. Deshalb sollten Erbsen immer mit einem Kartoffelbrei als Bindemittel serviert werden. In Schweden wartet man auch nicht, bis die Gastgeberin einen auffordert zu essen. Man fängt einfach irgendwann an, wenn jeder dafür bereit zu sein scheint. Wenn Kuchen gereicht wird, keine zu großen Stücke abschneiden. Mit den Keksen wird angefangen und von allem sollte probiert werden, aber nicht zu viel. Nach einer Einladung bedankt man sich ein paar Tage später dafür. Erscheinen tut man fast auf die Minute pünktlich. Kommt man 5 Minuten zu spät, werden die Gastgeber schon nervös.

Toiletten: Sie sind in Gastätten und öffentlichen Einrichtungen meistens nicht nach Geschlechtern getrennt. Viele Gaststätten begnügen sich mit nur ein Toilette und damit ist den Vorschriften Genüge geleistet (Hier geht dieses Thema weiter, das ein eigenes Kapitel verdient).

Drängeln: Niemals! Der Körperabstand liegt in Deutschland bei etwa 50 cm, in Schweden etwa 75 cm. Beachten Sie dies auch, wenn Sie in einer Schlange stehen. Beobachten Sie einfach das Verhalten der anderen. Wenn es mal zu langsam geht, zeigen Sie Gelassenheit, sonst bedeutet dies, Sie hätten sich nicht im Griff. Halten Sie auch Abstand zum Vordermann, wenn Sie auf schwedischen Autobahnen überholen. Fahrzeuge mit deutschem Kennzeichen fahren regelmäßig zu dicht auf und zu schnell. Zu dichtes Auffahren kann ein Fahrverbot von bis zu vier Monaten bedeuten. Ab Tempo 141 droht auf schwedischen Autobahnen ein Fahrverbot von mindestens 2 Monaten.

Weiterführender Link: Lussekatts Blogg, Schwedische Mentalität
Diskussion im Schwedentor-Forum: Schwedische Eigenarten, Umgangsformen und Verhaltensweisen