Schwedische Toiletten – Wie macht man es in Schweden richtig?
Interkulturelle Kompetenz setzt auch den Umgang mit heiklen Themen voraus. Dieses im deutschen Kulturraum mit Zurückhaltung behandelte Thema sollte den Lesern deshalb nicht vorenthalten werden. Es verdient gerade deshalb besondere Beachtung, um in allen Lebenssituationen souveränen Umgang beweisen zu können. Der schwedische Alltag gestaltet sich auch hier in vieler Hinsicht einfach anders, wenn es um die Umsetzung eines biologischen Diktats geht, dem wir uns früher oder später nicht entziehen können.
Toiletten: Sie sind in Gaststätten und öffentlichen Einrichtungen meistens nicht nach Geschlechtern getrennt. Viele Gaststätten begnügen sich mit nur einer einzigen Toilette und damit ist den gesetzlichen Vorschriften Genüge geleistet. Als Ausgleich dafür gibt es fast überall behindertengerechte Toiletten. So ist allen Menschen gedient und keine Randgruppe benachteiligt. Nichtbehinderte dürfen selbstverständlich auch in den Genuss einer Behindertentoilette kommen. Niemand wird Sie darauf ansprechen, welche Unpässlichkeit sie gerade zu dieser Entscheidung bewogen hat. Die Sauberkeit der Örtlichkeiten bewegt sich meistens zwischen gut bis noch annnehmbar.
In den meisten überdachten Fußgängerzonen und Einkaufszentren sind die Toiletten nicht kostenlos und verlangen nach einem Fünfkronenstück, welches der umsichtige Großstädter immer in genügender Anzahl mit sich führt. Eine Bezahlung per SMS oder Kreditkarte ist mir unbekannt. Für seinen Obulus erhält der Kunde meistens einen geräumigen Raum für sich ganz alleine mit WC und Waschbecken. In der gehobenen Gastronomie sorgt nicht selten Kerzenlicht für eine Atmosphäre der Gemütlichkeit. Der Wunsch nach Abgeschiedenheit und Ruhe prägt zuweilen auch den letzten Winkel Schwedens.
Hier darf man nach Zahlung von 5 Kronen zur Tat schreiten. Den Schlüssel zum erlösenden Vergnügen gibt es am Kiosk. Entdeckt in Slite auf Gotland am Aussichtspunkt der Kalkgrube.
Im Stehen oder im Sitzen? Wie macht Mann es richtig? Die Damen verlangen allerdings von den „Herren der Schöpfung“ absolute Ziel- und Treffsicherheit, wenn sie sich im Stehen auf der geschlechtlich gleichgestellten Toilette erleichtern. Andernfalls ist die Sitzhaltung das erste Mittel der Wahl. Viele schwedische Mütter bringen es ihren Knaben frühzeitig bei, es im Sitzen zu erledigen. So richtig will sich diese Lebenshaltung aber nicht durchsetzen. Schwedische Männer helfen ja gerne mit im Haushalt, kochen, wechseln die Windeln und sie schieben den Kinderwagen, doch irgendwann stößt selbst in Schweden der Gleichstellungsgedanke auf Grund der unterschiedichen biologischen Ausgestaltung an seine Grenzen.
Wie verleihe ich meinem Wunsch nach Erleichterung Ausdruck? Wenn Sie mal müssen, dann können sie den Wunsch offen aussprechen. Umschreibungen werden selten benutzt. „Kan jag få låna toaletten?“, wortwörtlich „Kann ich die Toilette ausleihen?“, ist das Äußerste, was die schwedische Sprache an diskreter Umschreibung zu bieten hat. Warum sollte man auch über das Natürlichste auf der Welt nicht offen reden können? Jeder muss es, jeder will es und wer nicht kann, hat ein Problem.
Das Plumpsklo als Urlaubsgenuss: Die meisten Schweden empfinden Plumpsklos als eine romantische Erlbebniswelt. Sie sind unsere letzten Rückzugsorte, um den vielen liebevoll restaurierten Sommerhäuschen eine Aura der Geruhsamkeit und absoluten Stille zu verleihen. Dort erinnert kein Ventilator und kein Rauschen der Wasserleitung an die Hektik unseres technisierten Alltags. Es gab sogar eine gut besuchte Ausstellung über die geschichtliche Entwicklung der Toilette in Schweden. Das Thema verdiente im schwedischen Fernsehen selbstverständlich die beste Sendezeit. Die meisten Schweden können nicht verstehen, dass deutsche Touristen in ihrem schwedischen Sommerhäuschen unbedingt ein WC benötigen, um den Urlaub entspannt genießen zu können. Der Trend in vielen Ferienhäuschen geht derzeit zum Trockenklo. Das für deutsche Zungen nur Angedachte, aber niemals Ausgesprochene landet verdeckt mit Torf in einer Plastiktüte, welche ohne Geruchsbeeinträchtigungen entsorgt werden kann. Dies ist auch kostengünstiger als die Installation einer Sickergrube mit 3 Kammern (tre kammar brunn), welche inzwischen auch für jedes Wochenendhäuschen mit WC Pflicht ist.
Kein seltener Anblick. Ein Plumpsklo als Gemeinschaftserlebnis für den netten Plausch während der Verrichtung?
Die passende Lektüre: Der schwedische Zeitschriftenmarkt bietet mit dem sechs Mal im Jahr erscheinenden, intellektuell eher anspruchslosen Witzblatt „Dass-Tidning“ (frei übersetzt „Plumpsklo-Zeitung“) leichte bis seichte Unterhaltung für den Ort der Erlösung, denn mit Humor lässt sich bekanntlich vieles besser erdulden. Humor befreit nicht nur Geist und Seele von den Schattenseiten unseres Daseins.
Stockholms öffentliche Toiletten als geistige Inspiration: Das Thema „Offentliga toaletter i Stockholm“ – „Stockholms öffentliche Toiletten“ hat seine Verfasser dazu angespornt im schwedischen Wikipedia einen als besonders lesenswert ausgezeichneten Artikel entstehen zu lassen, welcher sogar mit einem Stern versehen wurde. Eine deutsche Übersetzung steht noch aus. Das deutsche Pendant über Berlins öffentliche Toiletten vermisse ich noch, obwohl das deutschsprachige Wikipedia inzwischen zu fast allen erdenklichen Themen eine wissenschaftlich ausgefeilte Analyse bereithält.
Mobile Toilettenanlagen auf einer Großveranstaltung: Ist der Drang auch noch so groß, gilt es diszipliniert in der Schlange auf den erlösenden Zeitpunkt zu warten. Im Hintergrund Schloss Gripsholm.
Baja-Maja: Welch ein wohlklingendes Wort. Es handelt sich bei diesem Begriff allerdings nicht um eine beliebte Urlaubsinsel auf Thailand. Baja-Maja ist in der schwedischen Alltagssprache der übliche Begriff für eine mobile Toilettenkabine, da diese Verkörperungen der schwedischen Kultur überwiegend vom Marktführer BajaMaja zur Verfügung gestellt werden.
Welche unbekannte Gefahr geht von mobilen Toilettenkabinen aus? Der schwedische Wikipedia-Artikel http://sv.wikipedia.org/wiki/Baja-Maja warnt übrigens ausdrücklich davor, dass mobile Toilettenkabinen in seltenen Fällen umkippen können, wobei sich im schlimmsten Falle der Toiletteninhalt über die in der Toilettenkabine eingesperrte Person ergießen kann. Ich verstehe diesen Hinweis allerdings nur als Warnung an jene gerichtet, die meinen angetrunken in einer mobilen Toilettenkabine randalieren zu dürfen. Bewahren Sie also auch hier die notwendige Ruhe, bewegen Sie sich mit Umsicht, vermeiden sie heftige Bewegungen, und versuchen Sie weder von außen noch von innen die Standfestigkeit der Toilettenkabine auf die Probe zu stellen!
Das ideale Tischgespräch? Urologische Probleme und peinliche medizinische Untersuchungen in diesem Zusammenhang können mit etwas Fingerspitzengefühl und Vorsicht auch gerne beim Essen ausführlich beschrieben werden. Damit gewinnen Sie in vielen Fällen empathische Reaktionen bei ihren Tischnachbarn. Darüber hinaus haben Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ein anregendes Thema gefunden, welches dennoch den kulinarischen Genuss Ihrer Gesprächspartner nicht schmälert. Auf unsere skandinavischen Nachbarn aus Dänemark sollten Sie allerdings besondere Rücksicht nehmen, falls diese einen Teil der Tischgesellschaft bilden sollten. Trotz der kulturellen Nähe sind die Dänen in dieser Hinsicht weniger robust, wenn ich einer mehr humoristischen schwedischen Fernsehsendung, die solche Tischgespräche zum Besten gab, Glauben schenken darf.
Die Grenzen der gesitteten Wortwahl: Es ist schon merkwürdig, dass trotz dieser Ungezwungenheit und Direktheit die schwedische Sprache beim Fluchen und Schimpfen ausgerechnet Fäkalausdrücke verbietet. Ein pensionierter Schwedischlehrer hat sich sichtlich erzürnt gezeigt, weil junge Schweden nun vermehrt Fäkalausdrücke verwenden, die sie aus dem Englischen entlehnt haben, obwohl oder gerade weil die angelsächsische Kultur ebenfalls Fäkalausdrücke vermeidet.
Dieses WC aus englischer Fertigung war von 1898 bis 1938 in der Königlichen, Schwedischen Oper in Betrieb. Auf die Idee mit der Klobrille war man offenbar erst später gekommen. Dafür hatte man bei der Verrichtung was fürs Auge angesichts der schönen Verziehrungen. Ausgestellt ist das Objekt im Technischen Museum Stockholm.
Hunde und Katzen müssen auch: In allen Parkanlagen muss der Hundekot von den Hundebesitzern entfernt werden. Dazu bieten sich Plastiktüten an. Mit dem Frühjahr verschwindet der Schnee und es erscheinen mit den Maiglöckchen trotz dieser Regelung zahlreiche Häufchen, welche den Wegesrand ziehren.
Wenn die Katze im frisch geharkten Kartoffelbeet des Nachbarn zur Verbesserung der Bodenqualität beiträgt, kann dies bedauerlicherweise der Anlass zu langjährigen nachbarschaftlichen Verstimmungen sein. Um das nachbarschaftliche Verhältnis zu entschärfen, sollte deshalb den Katzen im eigenen Garten durch aufgelockerte Bodenflächen ein großzügiges Angebot zur Verrichtung angeboten werden.
Mit dem Auto unterwegs: Die schwedischen Wälder sind tief und öffentliche Toiletten sind rar. Nicht selten bieten dem vorbeifahrenden Autofahrer breitbeinig am Waldesrand stehende Männer ein gewohntes Straßenbild. Wenn diese dabei gleichzeitig noch augenscheinlich ein Selbstgespräch abhalten, sind sie nicht verrückt, sondern führen gerade mit ihrer Freisprecheinrichtung ein Handygespräch.
Das Jedermannsrecht (Allemansrätt) schafft Rechtssicherheit: Die Tiefen der schwedischen Wälder tragen für die meisten menschlichen Bedürfnisse dem Wunsch nach Rückzug und Privatsphäre Rechnung. Das schwedische Jedermannsrecht verleiht in dieser Hinsicht dem Durchreisenden den rechtlichen Rahmen für seine Notwendigkeiten unter Berücksichtung der jeweiligen Abfallbeseitigungsregelungen.