Erlebnisse mit einem alten Auto beim schwedischen „TÜV“

Erlebnisse mit einem alten Auto beim schwedischen TÜV

Datum: 13. 2.2012

Einen TÜV gibt es in Schweden nicht. Der schwedische TÜV nennt sich bilprovning und dort müssen die älteren Autos jedes Jahr zur Kontrolle. Dies kostet etwa 30 Euro. Inzwischen war ich bestimmt schon 12 Mal bei der bilprovning, da ich mich noch um ein weiteres Fahrzeug kümmere.

Mein Auto ist ein Opel Astra Baujahr 93 mit über 280.000 km, der Auspuff röhrt etwas und die Frontscheibe hat einen Riss über die ganze Länge von links nach rechts, allerdings nicht im Sichtfeld. Große Hoffnungen hatte ich mir beim ersten Mal nicht gemacht es auf den ersten Anlauf zu packen.

Einladung per Brief: In Schweden bekommt man mit der Post einen Brief, dass wieder der “TÜV” fällig ist. Dafür hat man dann einige Monate Zeit. Im Internet kann man dann eine Prüfstelle aussuchen und auch gleich einen Termin ausmachen. Dazu geht man einfach auf http://www.bilprovningen.se/ und am besten ist es, man bezahlt auch gleich über das Internet. Den Termin kann man noch zwei Stunden vorher verschieben. Das ist alles kein Problem. Man gibt nur sein Nummernschild und ein Kennwort, welches in den Schreiben steht, ein und sucht sich eine freie Zeit auf dem Terminplan aus. Falls man keine Aufforderung per Brief bekommt, muss der Halter selbst im Internet nachschauen, wann der „TÜV“ fällig ist. Als Passwort für die Anmeldung dient dann neben dem Nummernschild die letzten vier Ziffern der Personnummer des KFZ-Halters. Im Zuge der Privatisierungsbestrebungen könnte neben der bilprovning auch eine andere Firma mit der technischen Überwachung betraut sein, was jedoch noch sehr selten ist.


Die Fahrer warten vor dem Gebäude der Prüfstelle, bis sie per Leuchtanzeige zum Hereinfahren aufgefordert werden. Vorher erfolgte die Anmeldung per Internet und dann nochmal im an einem Bildschirmterminal vor dem Gebäude. Nach 20 Minuten ist die jährliche Untersuchung erledigt.

Kaum Wartezeiten: Vor einiger Zeit war ich wieder bei der bilprovning. Da muss man sich nicht in die Schlange einreihen wie in Deutschland, sondern geht zu einem Terminal im Freien und tippt dort die Nummer seines Kennzeichens ein. Prompt kam die Bestätigung, dass ich für 12:40 gebucht habe. Tatsächlich kam ich aber 5 Minuten später dran. Manchmal kommt man auch früher an die Reihe. Dann setzt man sich ins Auto und wartet, bis man auf der großen Leuchttafel sein Nummernschild sieht und fährt rein und gibt das Auto ab. Den Rest macht der Prüfer. Kaffee aus dem Pappbecher, welcher einem angeboten wird, ist im Preis inbegriffen.


Ein Loch im Auspuff stört den schwedischen „TÜV“ in der Regel nicht. Ob die provisorische Halterung akzeptiert wird, wird sich noch zeigen.

Abgasprüfung: Wie sieht es mit der ASU aus, die ja in Deutschland von den Werkstätten gemacht wird oder wurde? Für so eine Umstandskrämerei hat man kein Verständnis. Zudem haben schwedische KFZ-Werkstätten meistens viel zu tun und Schwierigkeiten Mitarbeiter zu finden. Wenn der Wagen also in der Halle ist, bekommt er als erstes einen Schlauch in den Auspuff, um nicht die Luft in der Halle zu verpesten. Bei dieser Gelegenheit werden gleich die Abgaswerte gemessen.


Ein Rostloch im hinteren Querträger ist noch zulässig.

Bremsen, Beleuchtung, Sicherheitsgurte, Warndreieck und Verbandskasten: Als einer der ersten Punkte wurden die Scheinwerfer geprüft, ob sie korrekt eingestellt sind. Für die restliche Beleuchtung wie Blinker oder Bremslichter u.s.w. hat er sich nicht sonderlich interessiert. Wenn sie nicht funktionieren, wird der Halter darauf hingewiesen. Ansonsten ist man für die Beleuchtung selbst verantwortlich. Die Funktion der Sicherheitsgurte wurde überprüft. Um es dem Prüfer leicht zu machen, sollten die Gurte bereits zusammengesteckt sein. Ein Verbandskasten und ein Warndreieck muss auch vorhanden sein. Auf dem Bremsenprüfstand sah es erst nicht gut aus, denn das linke Hinterrad zeigte zu wenig Bremswirkung. Deshalb hat der Prüfer 5 Minuten gebremst, bis beide Seiten ungefähr die gleiche Bremskraft zeigten. Es war Rost in der Bremstrommel, meinte er, und in Schweden bremst ja nicht so oft.

Einmal war er jedoch nicht so gnädig. Die Bremsleitungen hatten stellenweise Rostansatz und mussten ausgetauscht werden. Dies wurde dann auch in einer Nachkontrolle, der efterkontroll, überprüft. Dazu wird einem ein Monat Zeit gegeben. Eine Voranmeldung ist nicht notwendig.

Das Loch im Auspuff und der Riss in der Scheibe: Dann entdeckte der Prüfer noch das Loch im hinteren Auspufftopf. Er meinte, es wäre Zeit ihn auszutauschen. Den Riss in der Scheibe hat ihn nicht interessiert. Die Lenkung und die Vorderachse wurde auf einem automatischen Rüttelapparat geprüft. Anschließend hat er noch eine kleine Probefahrt gemacht und mir die Schlüssel mit den Worten überreicht. “Es sieht sehr gut aus. Bezahlt wurde ja schon.” Ich bekam noch einen Ausdruck. Da stand unter anderem drin: “Gut zu wissen: Auspuff hat ein Loch.” Und damit war der Fall erledigt. Jetzt kann auch jeder im Internet nachlesen, das das Auto mit meinem Nummernschild den TÜV bestanden hat. Mit dem Datenschutz hat man es hier nicht so. Übrigens muss man keine Belege oder Papiere zu dem Termin mitbringen. Die Schweden mögen keinen Papierkram. Nur das Auto sollte man schon mitbringen.


Die Steuerplakette auf den schwedischen Nummernschildern wurde inzwischen aus Kostengründen abgeschafft. Eine „TÜV“-Plakette gibt es ebenfalls nicht.

Die Plakette auf dem schwedischen Nummernschild: Eine TÜV-Plakette gibt es auch nicht, da sämtliche Daten im Internet abrufbar sind. Es gab mal einen Aufkleber für das Nummernschild. Diesen bekam man jedes Jahr zugeschickt, wenn die KFZ-Steuern beglichen wurden. Dieser Aufkleber wurde jedoch aus Kostengründen inzwischen abgeschafft. 2010 wurden die letzten Aufkleber zugeschickt. Es ist jedem selbst überlassen sie abzukratzen oder auf dem Nummernschild zu belassen.


Film über einen für den Betrieb von Holzgas (gengas) umgebauter, alter Volvo. Dieses Fahrzeug ist selbstverständlich für den schwedischen Straßenverkehr zugelassen, und es ist ein schönes Beispiel für die völlig andere Sicherheitsphilosophie des schwedischen „TÜV“. Man beachte, dass die Fahrer selbstverständlich immer angeschnallt sind. Einen Holzgasvergaser in Betrieb zu setzen ist schon eine kleine Kunst, denn das Video erklärt auch ohne den Wortlaut zu verstehen, wie ein mit Holzgas betriebenes Auto anzulassen ist.

Ausgeschlagene Gelenke der Radaufhängung: Einmal waren einige Gelenke der Radaufhängung ausgeschlagen. Der Prüfer hatte mir genau erklärt, welche Teile ich austauschen lassen sollte. Einen Eintrag dafür gab es nicht. Die Teile habe ich natürlich austauschen lassen.

Die gebrochene Feder an der vorderen Radaufhängung: Eines Tages machte mein altes Auto einen lauten Knall während der Fahrt und danach klapperte es immer vorne links. Ursache war eine gebrochene Feder am linken, vorderen Federbein. Die obere Windung war abgebrochen und klapperte deshalb. Leider bekam ich sie nicht heraus. Zuerst fragte ich einen befreundeten, ehemaligen deutschen TÜV-Prüfer. Er meinte, der Wagen würde beim deutschen TÜV sofort stillgelegt. Ich fragte dann  meine Werkstatt, was ich machen sollte und sie meinte, dass dies bei der bilprovning für meinen Fahrzeugtyp kein Problem sein. Also bin ich guter Dinge vorgefahren und die gebrochene Feder wurde auch selbstverständlich entdeckt. Das abgebrochene Teil wurde freundlicherweise entfernt und auf einen Haufen mit vielen anderen Federfragmenten geworfen. Das kommt anscheinend öfter vor. Weiterfahren durfte ich selbstverständlich und eine Nachkontrolle wurde auch nicht verlangt. Sollte allerdings die Befestigung der Feder verrostet gewesen sein, wird das Auto an Ort und Stelle stillgelegt.


Eine gebrochene Feder des Federbeins stellte beim schwedischen „TÜV“ kein Problem dar, wenn es sich nur um ein paar Windungen dreht.

Ist der Straßenverkehr in Schweden nun besonders gefährlich? Laut Wikipedia – Unfallstatistik in der Europäischen Union starben im Straßenverkehr im Jahr 2010 in Deutschland 45 Personen je eine Millionen Einwohner, in Schweden waren es aber nur 28 Personen je eine Million Einwohner. In Schweden ist der Straßenverkehr also wesentlich sicherer. Nicht berücksichtigt ist zudem, dass es in Schweden umgerechnet auf die Einwohnerzahl mehr Autos als in Deutschland gibt. Zudem sind die durchschnittlichen, jährlichen Fahrleistungen pro Auto in Schweden höher als in Deutschland.

Wegen der Verkehrsicherheit der Fahrzeuge habe ich mich nun bei einem ehemaligen TÜV-Prüfer (Ausbildung KFZ-Meister und KFZ-Sachverständiger) erkundigt: Ein Riss in einer Verbundglasscheibe, hat wirklich keinen Einfluss auf die Stabilität des Fahrzeugs und damit auf die Verkehrsicherheit. Auch in Deutschland sind solche Risse außerhalb des Sichtbereichs akzeptiert, denn eine Verbundglasscheibe besteht aus zwei miteinander verklebten Glasscheiben. Firmen, die Autoscheiben reparieren, erzählen natürlich gerne etwas anderes. Gefährlich hingegen sind viele kleine Kratzer auf der Windschutzscheibe, da sie wegen der Blendwirkung durch nächtlichen Gegenverkehr die Sicht erheblich behindern können. Dasselbe gilt auch für verbrauchte Scheibenwischerblätter.


Der mit Klebeband geflickte Luftansaugschlauch wurde vom Prüfer gelobt, da ich mitgedacht habe.

Ein Loch im Auspuff kann das Unfallrisiko auch nicht erhöhen. Der Auspuff muss nur fest sitzen und darf nicht abfallen. Laute Auspuffe werden in Deutschland vor allen Dingen wegen der erhöhten Umweltbelastung durch Lärm bemängelt. Ob eine gebrochene Spiralfeder gefährlich ist, hängt davon ab, wo sie gebrochen ist und wie das Federbein aufgebaut ist. Bei manchen Fahrzeugtypen wird auch in Schweden in so einem Fall das Auto stillgelegt. Ausgeleierte Stoßdämpfer hingegen sind die Hauptursache für gefährlich schlechte Straßenlagen und verursachen unter anderem einen längeren Bremsweg. Da der Effekt schleichend eintritt, gewöhnen sich die Fahrer an die schlechten Fahreigenschaften bis in einer kritischen Situation die Sicherheitsreserven nicht mehr ausreichen.

Der TÜV kann leider nicht die Anschnalldisziplin überprüfen. Wer sich nicht anschnallt, ist buchstäblich nicht zu retten und kennt die Fakten nicht. Dazu habe ich mich mal mit Entwicklern von Airbags unterhalten. Etwa 80% der Sicherheit hängt vom Sicherheitsgurt ab, für die restlichen 20% sind die Airbags verantwortlich. Ob der Airbag in einem 7 oder 8 Jahre alten Auto überhaupt noch zündet, ist leider nicht ganz sicher. Leider gibt es auch in Schweden unter den jungen Fahrern besonders viele, die sich nicht anschnallen, weil sie nicht als Angsthasen gelten wollen.

Seit 1997 wird in Schweden mit dem Begriff Nollvisionen per Gesetzesbeschluss das Ziel verfolgt die Anzahl der Verkehrstoten und Verletzten im Straßenverkehr drastisch zu reduzieren. Dies ist auch durch zahlreiche Maßnahmen teilweise gelungen, zu denen zum Beispiel Geschwindigkeitsbegrenzungen, vermehrter Einsatz von Überwachungskameras, höhere Strafen bei Verkehrsübertretungen und bauliche Maßnahmen wie zum Beispiel der vermehrte Einsatz von Mittelleitplanken und die Entschärfung gefährlicher Straßenführungen gehört. Zudem liegt die Promillegrenze für Alkohol in Schweden bei 0,2. Es muss immer mit Licht gefahren werden, denn die oft tiefstehende Sonne in Skandinavien blendet gerade an Sonnentagen sehr oft. Mit eingeschalteten Scheinwerfern sinkt das Risiko übersehen zu werden.

Interessant ist auch, dass in Schweden die Anzahl der Todesopfer mit den Konjunkturschwankungen zusammenhängt. Geht es der Wirtschaft schlecht, wird weniger und langsamer gefahren, was die Unfallzahlen signifikant senkt. In Boom-Zeiten steigen wieder die Unfallzahlen. Die Hauptursache für Unfälle scheint wohl Übermüdung zu sein. Auch das kann der TÜV nicht überprüfen. Es gibt aber schon Elektroniken, die die typischen Augenbewegungen übermüdeter Fahrer feststellen und dann gegebenenfalls warnen.