Die schwedische Du-Reform
Datum: 13.2.2012
In Schweden reden sich fast alle Menschen grundsätzlich mit „Du“ und dem Vornamen an. Eine Ausnahme bildet die Königsfamilie, welche mit ihren Titeln anzureden ist. Doch werden wahrscheinlich die wenigsten in diese Verlegenheit kommen. Politiker werden von den Journalisten immer mit „Du“ angeredet. Auf Behördengängen und im Geschäftleben wird ebenfalls immer das „Du“ verwendet. Selbst Geschäfts- und Behördenbriefe verwenden das „Du“ als Andrede.
Würde man ältere Menschen mit „Ni“, also „Ihr“, der Höflichkeitsform anreden, würden sie dies eher als eine herablassende Behandlung auffassen. Gerade junge Menschen mit einem Migrationshintergrund, welche aus einem anderen Kulturkreis kommen, meinen es aber besonders gut, wenn sie als Verkäufer und Verkäuferinnen ihre Kunden mit „Ni“ titulieren. Sie wissen nicht, dass einst mit „Ni“ die Bediensteten und das „einfache Volk“ angesprochen wurden. Deshalb wirkt das „Ni“ in manchen schwedischen Ohren arrogant. Ein ältere Schwedin erkärte mir einmal den Unterschied zwischen „Ni“ und „Du“ so: „Ich möchte nicht als Kunde behandelt werden sondern als Mensch“.
In den 50er Jahren war die korrekte Anrede immer unter Nennung des Titels in der dritten Person, was zum Beispiel so klang: „Kann mir der Herr Architekt bitte die Zeichnung herüberreichen?“.
Dies war vielen Schweden mit der Zeit doch sehr umständlich. Das änderte sich, als 1967 Bror Rexed zum Direktor der nationalen Gesundheits- und Sozialbehörde ernannt wurde. Er schlug vor, dass sich alle in seiner der Behörde ab sofort mit „Du“ und dem Vornamen anzureden haben. Damit bekam die Du-Reform, welche schon einige Jahre vorher erste Ansätze zeigte, einen offiziellen Charakter. Da die Schweden großes Vertrauen in ihr Staatswesen haben, fassten viele Schweden den Vorschlag von Bror Rexed als eine Art staatliche Verpflichtung auf, die zu befolgen ist.
Bror Rexed, der Begründer der schwedischen Du-Reform (Bildquelle: Wikipedia).
Die ersten Anzeichen der Du-Reform zeichneten sich schon in den 50er Jahren ab. An den Tankstellen war es damals üblich beim Tanken und Bezahlen nicht das Auto zu verlassen sondern nur die Seitenscheibe herunterzukurbeln. Das Tankstellenpersonal hatte dadurch kaum Möglichkeit den gesellschaftlichen Status der einzelnen Autofahrer zu erkennen und die Kunden wurden mit „Du“ angeredet. Dies geschah wahrscheinlich auch deshalb, weil sich die noch wenigen Autofahrer einer besonderen Gemeinschaft zugehörig fühlten.
Am Anfang der Du-Reform war die Unsicherheit bei der Anrede groß, und es war nicht wenigen unangenehm fremde Menschen oder Vorgesetzte mit „Du“ anzureden. Deshalb wurde während der Übergangsphase, die etwa 10 Jahre dauerte, gerne die direkte Anrede vermieden. Weitere Informationen zur schwedischen Du-Reform ist bei Wikipedia unter Du-Reform nachzulesen.
Für Einwanderer aus dem deutschen Sprachraum kommt das gegenseitige „Du“ in der Eingewöhnungsphase fast so vor, als ob alle Schweden befreundet wären und sich besonders mögen. So ist es natürlich nicht, da es völlig selbstverständlich ist sich zu Duzen und dabei die jeweiligen Regeln des Anstands zu befolgen sind. Fremde Menschen tauschen sich andere Höflichkeitsfloskeln aus als vertraute Bekannte oder Freunde. Trotzdem ist es den schwedischen Muttersprachlern bewusst, dass sie das „Du“ und nicht die Höflichkeitsform verwenden. Das „Du“ wird überwiegend als eine Kommunikation auf gleicher Augenhöhe unter Einhaltung der gegenseitigen menschlichen Achtung verstanden.